Jahrgangsgemischter Unterricht – Vorteile und Chancen

„Kinder lernen viel voneinander, jüngere vor allem von älteren (cross-age-teaching), aber auch ältere, indem sie jüngeren etwas erklären; vollends aber lernen sie gemeinsam. Kooperation ist, wie das Handeln und die Selbstständigkeit, nicht nur Ziel, sondern Mittel des Lernens.“ (1)

In einer natürlichen Lernsituation, die oft auch als „Familienklasse“ bezeichnet wird, können die Kinder genau diese Erfahrungen machen. Jüngere und leistungsschwächere Kinder lernen „wie in einer Familie“ von den älteren und leistungsstärkeren. Vor allem aber profitieren auch die Zweitklässler von dieser Lernsituation. Durch das gemeinsame Lernen und Arbeiten mit jüngeren Kindern können ältere und leistungsstärkere ihr eigenes Wissen festigen und reflektieren, indem sie es für ihren Partner versprachlichen. Etwaige Wissenslücken erkennt das Kind so meist ganz von selbst.

juebgr_03

Jahrgangsübergreifender Unterricht bedeutet zwangsläufig, dass ein Teil des Unterrichts in eigenverantwortlichen, selbstgesteuerten Lernprozessen vollzogen wird. „Dabei fördert er die Ausbildung von Verhaltensweisen wie Flexibilität und Kreativität, denn er gibt dem Kind die Chance neue Möglichkeiten selbst zu entdecken, neue Interessen und Aufgabenfelder selbst zu entwickeln und sich das Wissen durch entdeckendes Lernen selbst zu erarbeiten.“2 Diese „Schlüsselqualifikationen“ werden so ganz natürlich und selbstverständlich schon in der ersten Klasse altersgerecht eingeführt und praktiziert.

Nicht zuletzt fördert jahrgangsgemischter Unterricht die soziale Entwicklung jedes einzelnen Kindes. Durch einen hochdifferenzierten Unterricht werden sich die Schüler und Schülerinnen ihrer Verschiedenheit und Einzigartigkeit in besonderem Maße bewusst. Ohne gegenseitige Toleranz, Achtung und Respekt kann jahrgangsgemischter Unterricht nicht funktionieren.

Familienklassen bedeuten für jedes einzelne Kind auch Geborgenheit und Sicherheit. So ziehen die „Großen“, wenn sie  dazu bereit und „flügge“ geworden sind, das heißt, wenn sie der Eingangsstufe „entwachsen“ sind, gemeinsam weiter in die nächste (dritte)  Klasse. Ist ein Kind dazu noch nicht bereit und fähig, so bleibt es einfach weiterhin in der „Familie“, bei der gleichen Lehrerin,  bei den bereits bekannten Klassenkameraden, in den vertrauten Räumlichkeiten. Von einem „Sitzenbleiben“ im eigentlichen Sinn kann in einer jahrgangsgemischten Klasse so nicht mehr gesprochen werden.

Anmerkungen:
(1) aus: „Bildungsplan für die Grundschule“, Baden-Württemberg, 21. Januar 2004, Seite 16/17
(2) aus: Landesbildungsserver NRW 2007

01.07.2011  Stefanie Niederer